Weisser Sturm und Schilcher Sturm im Fass
Weststeiermark

Schilcher-Museums-Tour

Schilcher-Museums-Tour: Eine Wanderung durch das flüssige Kulturerbe der Weststeiermark

Teil 1: Auf den Spuren des rosaroten Goldes

Einführung: Der Schilcher – mehr als nur ein Wein

Weisser Sturm und Schilcher Sturm im Fass

In der sanften Hügellandschaft der Weststeiermark gedeiht ein Schatz, der wie kein anderer die Identität dieser Region verkörpert: der Schilcher. Dieser charakteristische Roséwein, ausschließlich aus der autochthonen Blauen Wildbacher Traube gekeltert, ist nicht nur ein Getränk, sondern ein kulturelles Erbe, das Generationen von Winzern geprägt hat. Seine leuchtend rosarote Farbe, die an Zwiebelschalen erinnert, und sein unverwechselbarer fruchtig-säuerlicher Geschmack machen ihn zu einem einzigartigen Botschafter der steirischen Weinkultur.

„Der Schilcher ist wie die Steirer selbst“, schmunzelt Franz Hiden, ein alteingesessener Winzer aus der Region, „anfangs vielleicht etwas sauer und kantig, aber mit der Zeit entfaltet er einen Charakter, den man nie wieder vergisst.“ Diese Charakterisierung trifft den Nagel auf den Kopf, denn der Schilcher ist tatsächlich ein Wein mit Ecken und Kanten, der polarisiert und gerade deshalb so geliebt wird.

Die Schilcher-Museums-Tour, die durch die malerische Landschaft der Weststeiermark führt, ist mehr als nur eine Wanderung – sie ist eine Zeitreise durch Jahrhunderte weinbäuerlicher Tradition, ein sinnliches Erlebnis für Gaumen und Augen und eine Begegnung mit Menschen, die ihr Leben dem rosaroten Gold verschrieben haben.

Der Kirchplatz von Eibiswald – Startpunkt einer vinophilen Entdeckungsreise

Eibiswald Kirche

Unser Ausgangspunkt ist der Kirchplatz von Eibiswald, einem malerischen Marktflecken, der seit dem Mittelalter ein wichtiges Zentrum der Region ist. Die imposante Pfarrkirche „Maria in Dorn“, deren Ursprünge bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen, dominiert den Platz mit ihrem barocken Turm. Bereits hier spürt man die tiefe Verbindung zwischen Glaube und Weinbau, die in der Steiermark seit jeher besteht. Nicht umsonst wird der Wein in der christlichen Tradition als „Blut Christi“ bezeichnet, und zahlreiche Heilige wie Urban, der Schutzpatron der Winzer, oder Johannes der Täufer sind eng mit dem Weinbau verbunden.

Bevor wir aufbrechen, werfen wir einen Blick auf die Informationstafel, die den Verlauf der Tour beschreibt. Die gelben Schilcherglas-Markierungen werden uns auf dem gesamten Weg begleiten – ein passendes Symbol für eine Route, die ganz im Zeichen des Weines steht.

„Die Tour ist etwa 14 Kilometer lang und führt durch verschiedene Höhenlagen“, erklärt Maria Krenn vom örtlichen Tourismusbüro. „Man sollte etwa viereinhalb Stunden reine Gehzeit einplanen, aber mit den Besichtigungen und Verkostungen wird es ein ganzer Tag. Festes Schuhwerk ist empfehlenswert, und natürlich sollte man nicht zu viel vom Schilcher kosten, wenn man noch wandern möchte“, fügt sie mit einem Augenzwinkern hinzu.

Von Eibiswald nach Feisternitz – Durch Wiesen und Wälder

Wir verlassen den Kirchplatz und gehen hinter der Kirche vorbei an der Volksschule. Der Weg führt uns rechts über die Römerbrücke – ein Hinweis auf die lange Besiedlungsgeschichte der Region, denn bereits die Römer brachten den Weinbau in die Steiermark. Vorbei am Altenheim biegen wir rechts ab und folgen einem ansteigenden Wiesen- und Waldweg.

Die Landschaft öffnet sich, und wir genießen erste Ausblicke auf die sanften Hügel der Weststeiermark, die wie grüne Wellen bis zum Horizont rollen. Zwischen den Hügeln leuchten immer wieder die charakteristischen Weingärten hervor, in denen die Blaue Wildbacher Traube gedeiht. Diese alte Rebsorte stellt besondere Ansprüche an Boden und Klima und fühlt sich in den steilen Lagen der Weststeiermark besonders wohl.

„Die Blaue Wildbacher ist eine Diva unter den Rebsorten“, erklärt Weinbauer Josef Glirsch, dessen Hof wir später besuchen werden. „Sie braucht viel Sonne, aber nicht zu viel Hitze, gute Drainage, aber ausreichend Wasser, und sie ist anfällig für verschiedene Pilzkrankheiten. Aber wenn alles passt, belohnt sie uns mit Trauben, die einen unvergleichlichen Wein ergeben.“

Nach etwa einer Stunde Wanderung erreichen wir das Dorf Feisternitz, ein typisches weststeirisches Bauerndorf mit verstreut liegenden Höfen und einer kleinen Kapelle im Zentrum. Wir durchqueren das Dorf und folgen weiterhin der Markierung „Gelbes Schilcherglas“, die uns rechts über angenehme Wald- und Wiesenwege auf den Feisternitzberg führt.

Eibiswald Kloepferkeller

Das Bauernmuseum Lateinberg – Lebendige Geschichte des Landlebens

Weiter ansteigend erreichen wir nach etwa zwei Stunden Gehzeit das „Bauernmuseum Lateinberg“ – unsere erste kulturelle Station auf dieser Entdeckungsreise. Das Museum ist in einem traditionellen Bauernhof untergebracht, der liebevoll restauriert wurde und einen authentischen Einblick in das bäuerliche Leben vergangener Zeiten bietet.

„Unser Museum zeigt nicht nur die Geschichte des Weinbaus, sondern das gesamte Spektrum bäuerlichen Lebens in der Weststeiermark“. „Vom Ackerbau über die Viehzucht bis hin zur Haushaltsführung – all diese Aspekte waren eng miteinander verwoben und bildeten die Grundlage für die Selbstversorgung der Höfe.“

In den verschiedenen Räumen des Museums sind landwirtschaftliche Geräte, Haushaltsutensilien, Möbel und Kleidungsstücke ausgestellt, die das harte, aber auch erfüllende Leben auf dem Land dokumentieren. Besonders beeindruckend ist die Sammlung von Weinbaugeräten, die die Entwicklung der Weinherstellung über die Jahrhunderte veranschaulicht – von einfachen Holzpressen bis hin zu den ersten mechanischen Keltern.

Ein Highlight ist die Rekonstruktion einer traditionellen „Buschenschank-Stube“, in der früher der selbst erzeugte Wein ausgeschenkt wurde. Die rustikalen Holztische, die einfachen Bänke und der große Kachelofen vermitteln die gemütliche Atmosphäre, in der Bauern und Dorfbewohner zusammenkamen, um bei einem Glas Schilcher den Tag ausklingen zu lassen.

„Die Buschenschank war nicht nur ein Ort des Weingenusses, sondern auch ein wichtiger sozialer Treffpunkt“, erläutert Pratter. „Hier wurden Neuigkeiten ausgetauscht, Geschäfte besprochen, Hochzeiten arrangiert und politische Diskussionen geführt. Die Buschenschank war das Herz des dörflichen Lebens.“

Nach der Besichtigung des Museums stärken wir uns mit einer traditionellen steirischen Jause – Selchfleisch, Käse, frisches Brot und natürlich ein Glas Schilcher. Der fruchtig-säuerliche Wein harmoniert perfekt mit den deftigen Speisen und erfrischt nach dem ersten Teil unserer Wanderung.

Teil 2: Höhenwege und Kräutergärten

Panoramablicke vom Aussichtsturm St. Pongratzen

Gestärkt setzen wir unsere Wanderung fort. Wir gehen ein Stück zurück und folgen dann der Höhenstraße, die uns spektakuläre Ausblicke über die Weststeiermark bietet. An klaren Tagen reicht der Blick bis zur Koralpe im Westen und zum Schöckl bei Graz im Osten – ein Panorama, das die Mühen des Aufstiegs mehr als belohnt.

Unser nächstes Ziel ist der Aussichtsturm St. Pongratzen, der auf einer Anhöhe thront und einen 360-Grad-Rundblick ermöglicht. Der hölzerne Turm, benannt nach dem nahegelegenen Kirchlein St. Pongratzen, wurde in den 1990er Jahren errichtet und ist seitdem ein beliebtes Ausflugsziel für Einheimische und Touristen.

„Von hier oben kann man die gesamte Weinbauregion überblicken“, schwärmt Wanderführerin Elisabeth Maier. „Man sieht die unterschiedlichen Lagen der Weingärten, die verschiedenen Ausrichtungen der Hänge und kann verstehen, warum der Schilcher je nach Standort so unterschiedlich schmecken kann. Die Südlagen bringen vollere, reifere Weine hervor, während die höheren, kühleren Lagen für frischere, säurebetontere Schilcher sorgen.“

Tatsächlich ist die Landschaft wie ein Mosaik aus verschiedenen Grüntönen, durchsetzt mit den charakteristischen Rebenzeilen, die sich an die Hänge schmiegen. Dazwischen liegen verstreut kleine Dörfer, einzelne Höfe und immer wieder die typischen „Klapotetz“ – hölzerne Windmühlen, die mit ihrem rhythmischen Klappern Vögel von den reifenden Trauben fernhalten sollen.

„Der Klapotetz ist mehr als nur ein Vogelschreck“, erklärt Maier. „Er ist ein Symbol der steirischen Weinkultur, ein Wahrzeichen, das in keinem Weingarten fehlen darf. Wenn im Hochsommer die ersten Klapotetz aufgestellt werden, weiß jeder: Jetzt beginnt die Zeit der Traubenreife, und bald ist Lesezeit.“

Der Kräutergarten Pratter – Aromatische Begleiter des Weins

Nach dem Abstieg vom Aussichtsturm führt uns der Weg weiter entlang der Höhenstraße zum Kräutergarten Pratter – einem duftenden Paradies, das die Vielfalt heimischer und exotischer Kräuter präsentiert. Auf einer Fläche von etwa einem Hektar gedeihen hier über 200 verschiedene Kräuterarten, sorgfältig nach ihren Verwendungszwecken gruppiert.

Kräuterexpertin Maria Pratter empfängt uns am Eingang des Gartens und führt uns durch die duftenden Beete. „Kräuter und Wein haben eine lange gemeinsame Geschichte“, erklärt sie. „Viele Kräuter finden sich in den Aromen des Weins wieder – denken Sie an die Zitrusnoten im Schilcher, die an Zitronenmelisse erinnern, oder die würzigen Nuancen, die an Thymian und Rosmarin denken lassen.“

In verschiedenen Themengärten werden die Kräuter nach ihren Verwendungszwecken präsentiert: Heilkräuter, Küchenkräuter, Teekräuter und sogar ein eigener „Weinkräutergarten“, in dem Pflanzen wachsen, deren Aromen sich besonders gut mit Wein ergänzen.

„Früher wurden Kräuter auch direkt dem Wein zugesetzt, um ihn haltbarer zu machen oder seinen Geschmack zu verbessern“, berichtet Pratter. „Wermut, Salbei, Rosmarin – all diese Kräuter haben antiseptische Eigenschaften, die den Wein vor dem Verderben schützten. Heute wissen wir natürlich mehr über die Weinbereitung und brauchen diese Zusätze nicht mehr, aber die aromatische Verbindung zwischen Kräutern und Wein bleibt bestehen.“

Im kleinen Hofladen können Besucher getrocknete Kräuter, Kräutersalze, Tees und selbst hergestellte Kräuterliköre erwerben – perfekte Souvenirs, die die Erinnerung an diesen duftenden Garten bewahren.

Die Bauernschmiede Woch – Handwerkskunst für den Weinbau

Unsere Wanderung führt uns weiter zum Weinbauern Woch, wo wir den Schlüssel für sein Museum „Bauernschmiede“ abholen können. Die Schmiede, die seit dem 18. Jahrhundert in Familienbesitz ist, spielte eine wichtige Rolle für die Weinbauern der Region, denn hier wurden die speziellen Werkzeuge hergestellt und repariert, die für den Weinbau unerlässlich waren.

„Mein Urgroßvater war der Schmied des Dorfes“, erzählt Alois Woch stolz, während er uns durch die historische Schmiede führt. „Er fertigte Rebmesser, Hauen, Pflugscharen und all die anderen Werkzeuge, die die Bauern für ihre Arbeit brauchten. Die Schmiede war das technologische Zentrum des Dorfes, vergleichbar mit einer Autowerkstatt heute.“

Die Schmiede ist noch vollständig eingerichtet, mit Esse, Blasebalg, Amboss und zahlreichen Werkzeugen. An den Wänden hängen Hufeisen, Zangen, Hämmer und spezialisierte Werkzeuge für den Weinbau. Besonders interessant sind die verschiedenen Rebmesser, die je nach Region und Verwendungszweck unterschiedliche Formen aufweisen.

„Ein gutes Rebmesser war für den Winzer so wichtig wie das tägliche Brot“, erklärt Woch. „Mit ihm wurden die Reben geschnitten, die Trauben geerntet und sogar kleine Reparaturen an den Rebstöcken durchgeführt. Jeder Winzer hatte sein persönliches Rebmesser, das oft ein Leben lang hielt und manchmal sogar vererbt wurde.“

Neben der Schmiede beherbergt das Museum auch eine Sammlung historischer Dokumente, die die wirtschaftliche und soziale Bedeutung des Weinbaus für die Region belegen. Alte Rechnungsbücher, Verträge und Fotografien erzählen von den Höhen und Tiefen des Winzerlebens, von guten Erntejahren und Katastrophen wie der Reblausplage, die Ende des 19. Jahrhunderts fast den gesamten europäischen Weinbau vernichtete.

„Die Reblaus war eine Katastrophe für unsere Region“, berichtet Woch. „Viele Winzer verloren ihre Existenzgrundlage und mussten auswandern oder sich andere Erwerbsquellen suchen. Nur durch die Einführung resistenter Unterlagsreben konnte der Weinbau gerettet werden – eine technologische Revolution, die das Gesicht des Weinbaus für immer veränderte.“

Teil 3: Weinkultur und Heimkehr

Das Weinbauernmuseum Glirsch – Vom Rebstock zur Flasche

Nach etwa drei Stunden Gehzeit erreichen wir die Buschenschenke Glirsch mit dem angeschlossenen „Weinbauernmuseum“ – dem Höhepunkt unserer Schilcher-Museums-Tour. Die Familie Glirsch betreibt seit Generationen Weinbau und hat in ihrem Museum den gesamten Prozess der Weinherstellung dokumentiert, vom Anbau der Reben bis zur Abfüllung des fertigen Weins.

„Unser Museum zeigt die Entwicklung des Weinbaus in der Weststeiermark über die letzten 200 Jahre“, erklärt Josef Glirsch, der das Museum gemeinsam mit seiner Frau Maria betreibt. „Wir haben alte Geräte gesammelt, restauriert und in einen funktionalen Zusammenhang gestellt, sodass Besucher den gesamten Prozess der Weinherstellung nachvollziehen können.“

Das Museum ist in verschiedene Bereiche gegliedert, die den Jahreskreis des Weinbaus abbilden. Im ersten Raum geht es um die Arbeit im Weingarten – vom Rebschnitt im Winter über das „Ausgeizen“ (Entfernen überflüssiger Triebe) im Frühjahr bis hin zur Lese im Herbst. Historische Werkzeuge wie Rebscheren, Hauen und Spritzgeräte veranschaulichen die mühsame Handarbeit, die der Weinbau erforderte.

„Früher war der Weinbau reine Handarbeit“, betont Glirsch. „Jeder Rebstock wurde einzeln gepflegt, jede Traube von Hand gelesen. Heute haben wir natürlich moderne Maschinen, die viele Arbeitsschritte erleichtern, aber die grundlegenden Prinzipien sind die gleichen geblieben: Der Wein wird im Weingarten gemacht, nicht im Keller.“

Der zweite Bereich des Museums widmet sich der Kelterung – dem Prozess, bei dem aus den Trauben Most und schließlich Wein wird. Hier stehen alte Pressen, Mahlwerke und Gärbehälter, die die technologische Entwicklung der Weinbereitung dokumentieren.

„Die Kelterung des Schilchers hat ihre eigenen Regeln“, erklärt Glirsch. „Anders als bei Weißweinen, wo die Trauben sofort gepresst werden, oder bei Rotweinen, wo die Maische lange auf der Schale vergärt, liegt die Maische beim Schilcher nur kurz auf der Schale – gerade lang genug, um die charakteristische rosarote Farbe zu extrahieren, aber nicht so lang, dass zu viele Tannine in den Wein übergehen.“

Der dritte Bereich des Museums befasst sich mit der Lagerung und Reifung des Weins. Hier stehen alte Holzfässer neben modernen Edelstahltanks – ein Symbol für die Verbindung von Tradition und Innovation, die den modernen Weinbau prägt.

„Der Schilcher wurde traditionell in Holzfässern ausgebaut, was ihm zusätzliche Aromen verlieh“, erläutert Glirsch. „Heute verwenden wir für die meisten Schilcher Edelstahltanks, die eine kontrollierte Gärung bei niedrigen Temperaturen ermöglichen und so die Fruchtaromen besser bewahren. Aber einige Winzer experimentieren auch mit Holzfässern für spezielle Schilcher-Editionen.“

Nach der Museumsführung lädt uns Familie Glirsch zu einer Verkostung in ihre Buschenschenke ein. In der gemütlichen Stube mit Blick auf die Weingärten probieren wir verschiedene Schilcher-Varianten – vom klassischen trockenen Schilcher über den halbtrockenen „Schilcherland“ bis hin zum prickelnden Schilcher-Frizzante und dem edelsüßen Schilcher-Eiswein.

„Der Schilcher ist viel vielseitiger, als viele denken“, betont Maria Glirsch, während sie uns einschenkt. „Er kann jung und frisch sein, aber auch reif und komplex. Er kann trocken und herb sein oder lieblich und süß. Und er passt zu vielen Speisen – von der deftigen Brettljause über Fischgerichte bis hin zu süßen Desserts.“

Zur Verkostung reicht Familie Glirsch eine traditionelle steirische Jause – hausgemachtes Brot, Selchfleisch, Käse, frischen Kren (Meerrettich) und natürlich das berühmte Kürbiskernöl, das auf die Eierspeis (Rührei) geträufelt wird. Die Kombination aus herzhaften Speisen und dem frischen, säurebetonten Schilcher ist perfekt und zeigt, warum dieser Wein so tief in der regionalen Küche verwurzelt ist.

Der Rückweg – Durch Kapellen und Gasthäuser

Gestärkt und mit neuen Eindrücken setzen wir unsere Wanderung fort. Im Hof Glirsch geht es rechts über einen Wiesen- und Waldweg hinunter, bis wir zur Straße gelangen. Wir folgen der Markierung „Gelbes Glas“ nach links und kommen an der Kohlweißkapelle vorbei – einem kleinen sakralen Bauwerk, das die tiefe Religiosität der Weinbauern bezeugt.

„Die Kapellen in den Weinbergen sind Ausdruck des Gottvertrauens der Winzer“, erklärt unsere Wanderführerin. „Der Weinbau ist stark vom Wetter abhängig, und vor der modernen Meteorologie waren die Bauern den Naturgewalten ausgeliefert. Die Kapellen boten einen Ort des Gebets für gutes Wetter und reiche Ernte.“

Weiter führt uns der Weg zum Gasthaus Weiß und nach einem Kreuz links zum Gasthaus Bartlschneider – traditionelle Einkehrmöglichkeiten, die seit Generationen Wanderer und Einheimische bewirten. Der letzte Abschnitt unserer Tour führt steil über eine Wiese, vorbei an einem idyllischen Fischteich. Rechts haltend folgen wir der Straße entlang zwischen dem Gasthof Kloepferkeller und der Weinpresse zurück zum Kirchplatz von Eibiswald – unserem Ausgangspunkt.

Der Kloepferkeller, benannt nach dem steirischen Heimatdichter Hans Kloepfer (1867-1944), ist ein weiteres kulturelles Highlight am Wegesrand. Kloepfer, der in Eibiswald geboren wurde, hat in seinen Mundartgedichten die Landschaft und das Leben der Menschen in der Weststeiermark verewigt. Sein bekanntestes Werk „Steirisches Wörterbuch“ ist eine Fundgrube für den steirischen Dialekt und enthält zahlreiche Begriffe aus dem Weinbau.

Die Weinpresse schließlich, ein monumentales Kunstwerk am Ortseingang von Eibiswald, symbolisiert die zentrale Bedeutung des Weinbaus für die Identität der Region. Die überdimensionale Holzpresse erinnert an die traditionelle Methode der Weinherstellung und ist gleichzeitig ein modernes Wahrzeichen, das Tradition und Zukunft verbindet.

Das Weitwandermuseum im Lerchhaus – Ein zusätzliches Highlight

Ein besonderer Tipp für Wanderbegeisterte ist das Weitwandermuseum im Lerchhaus, das wir auf unserem Rückweg besuchen. Dieses einzigartige Museum dokumentiert die Geschichte des Weitwanderns in Österreich und beherbergt eine beeindruckende Sammlung von Wanderkarten, historischer Ausrüstung und Berichten berühmter Weitwanderer.

„Das Weitwandern hat in der Steiermark eine lange Tradition“, erklärt Museumsleiter Peter Lerch. „Die ersten markierten Weitwanderwege entstanden hier bereits Ende des 19. Jahrhunderts, als der Alpinismus populär wurde. Heute durchziehen zahlreiche Weitwanderwege die Steiermark, darunter der Südalpenweg und der Mariazellerweg.“

Das Museum zeigt die Entwicklung der Wanderausrüstung vom einfachen Wanderstock und Lodenmantel bis hin zu modernen Funktionsmaterialien und GPS-Geräten. Besonders interessant sind die persönlichen Berichte von Weitwanderern, die von ihren Erlebnissen, Begegnungen und Herausforderungen auf den langen Strecken erzählen.

„Weitwandern ist mehr als nur eine sportliche Aktivität“, betont Lerch. „Es ist eine Lebenseinstellung, eine Art, die Welt zu erfahren und mit sich selbst in Kontakt zu kommen. Viele Weitwanderer berichten von tiefgreifenden Erfahrungen, die ihr Leben verändert haben.“

Teil 4: Die Seele des Schilcherlandes

Der Schilcher – Ein Wein mit Geschichte und Zukunft

Die Schilcher-Museums-Tour hat uns nicht nur durch eine malerische Landschaft geführt, sondern auch tiefe Einblicke in die Kultur und Geschichte des Schilcherweins vermittelt. Dieser charakteristische Wein, der nur in der Weststeiermark aus der Blauen Wildbacher Traube gekeltert wird, ist mehr als nur ein Getränk – er ist ein kulturelles Erbe, das die Identität der Region prägt.

Die Geschichte des Schilchers reicht weit zurück. Bereits im 16. Jahrhundert wird ein rosafarbener Wein aus der Region erwähnt, der vermutlich ein Vorläufer des heutigen Schilchers war. Der Name „Schilcher“ leitet sich vom mittelhochdeutschen „schilhen“ ab, was „schillern“ oder „die Farbe wechseln“ bedeutet – ein Hinweis auf die charakteristische rosarote Farbe des Weins, die je nach Lichteinfall unterschiedlich schimmert.

Lange Zeit war der Schilcher ein einfacher Bauernwein, der hauptsächlich für den Eigenverbrauch oder den lokalen Markt produziert wurde. Erst im 20. Jahrhundert, besonders nach dem Zweiten Weltkrieg, begann sein Aufstieg zu einem anerkannten Qualitätswein. Die Gründung der „Steirischen Weinstraße“ in den 1950er Jahren und die zunehmende Bedeutung des Tourismus trugen dazu bei, den Schilcher über die Grenzen der Steiermark hinaus bekannt zu machen.

Heute ist der Schilcher ein geschützter Begriff, der nur für Weine aus der Blauen Wildbacher Traube verwendet werden darf, die in der definierten Region der Weststeiermark angebaut wurden. Die Weinbaugebiete erstrecken sich von Deutschlandsberg im Norden bis Eibiswald im Süden und umfassen etwa 500 Hektar Rebfläche – eine kleine, aber feine Weinregion, die einzigartige Weine hervorbringt.

Die moderne Schilcherproduktion verbindet Tradition und Innovation. Während die grundlegenden Prinzipien der Weinbereitung bewahrt werden, setzen die Winzer zunehmend auf moderne Technologien, um die Qualität zu verbessern und neue Stilrichtungen zu entwickeln. Neben dem klassischen trockenen Schilcher gibt es heute Schilcher-Sekt, Schilcher-Frizzante, Schilcher-Eiswein und sogar Schilcher-Brände – eine Vielfalt, die die Anpassungsfähigkeit dieser traditionellen Weinkultur zeigt.

„Der Schilcher steht vor einer spannenden Zukunft“, meint Weinbauexperte Dr. Robert Steidl von der Weinbauschule Silberberg. „Einerseits profitiert er vom wachsenden Interesse an autochthonen Rebsorten und regionalen Spezialitäten, andererseits stellt der Klimawandel die Winzer vor neue Herausforderungen. Die Blaue Wildbacher ist eine Sorte, die kühle Nächte braucht, um ihre charakteristische Säure zu entwickeln – wenn die Temperaturen steigen, könnte sich der Charakter des Weins verändern.“

Die Winzer der Region begegnen dieser Herausforderung mit verschiedenen Strategien: Sie pflanzen Reben in höheren, kühleren Lagen, experimentieren mit neuen Anbau- und Kelterungsmethoden und entwickeln neue Weinstile, die den veränderten Bedingungen Rechnung tragen. So bleibt der Schilcher lebendig und entwickelt sich weiter, ohne seine Wurzeln zu verlieren.

Die Schilcherregion – Mehr als nur Wein

Die Schilcher-Museums-Tour hat gezeigt, dass die Weinkultur der Weststeiermark weit mehr umfasst als nur den Anbau von Reben und die Produktion von Wein. Sie ist eingebettet in ein reiches kulturelles Erbe, das von der Architektur über das Handwerk bis hin zur Küche reicht.

Die traditionellen Buschenschänken, in denen die Winzer ihren eigenen Wein ausschenken, sind lebendige Zentren dieser Kultur. Hier treffen sich Einheimische und Touristen, um bei einem Glas Schilcher und einer deftigen Jause das Leben zu genießen. Die Buschenschänke ist mehr als nur ein gastronomischer Betrieb – sie ist ein Ort der Begegnung, des Austauschs und der Gemeinschaft.

Die Architektur der Region spiegelt die Weinbautradition wider. Die typischen Weinkeller, oft in Hanglage gebaut und mit dicken Mauern versehen, bieten ideale Bedingungen für die Lagerung des Weins. Die Kellerstöckl – kleine Häuschen über den Weinkellern, die ursprünglich als Unterkunft während der Weinlese dienten – sind heute beliebte Feriendomizile, die einen authentischen Einblick in das Winzerleben bieten.

Das Handwerk der Region ist eng mit dem Weinbau verbunden. Küfer, die Fässer herstellen, Schmiede, die Werkzeuge fertigen, und Korbflechter, die Tragekörbe für die Lese flechten – all diese traditionellen Handwerke haben den Weinbau über Jahrhunderte begleitet und unterstützt. Auch wenn viele dieser Handwerke heute nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form existieren, leben sie in Museen und Handwerksbetrieben weiter und bereichern das kulturelle Erbe der Region.

Die Küche der Weststeiermark schließlich ist ein weiterer wichtiger Aspekt der regionalen Kultur. Die deftige, bodenständige Küche mit Spezialitäten wie Verhackert (eine würzige Streichwurst), Sterz (ein Gericht aus Mais- oder Buchweizenmehl) und natürlich dem allgegenwärtigen Kürbiskernöl harmoniert perfekt mit dem säurebetonten Schilcher und bildet mit ihm eine kulinarische Einheit, die die Identität der Region prägt.

Fazit: Eine Wanderung durch Zeit und Kultur

Die Schilcher-Museums-Tour ist mehr als nur eine Wanderung durch eine malerische Landschaft – sie ist eine Reise durch die Zeit, eine Begegnung mit einer lebendigen Weinkultur und ein sinnliches Erlebnis für alle, die offen sind für die Geschichten, die diese Region zu erzählen hat.

Die 14 Kilometer lange Route mit ihren 300 Höhenmetern ist moderat anspruchsvoll und für geübte Wanderer in etwa viereinhalb Stunden zu bewältigen. Mit den Besichtigungen und Verkostungen sollte man jedoch einen ganzen Tag einplanen, um die vielfältigen Eindrücke wirklich aufnehmen zu können.

Die Tour verbindet auf ideale Weise Natur und Kultur, körperliche Aktivität und geistige Anregung, Genuss und Bildung. Sie führt durch verschiedene Landschaftsformen – von offenen Wiesen über schattige Wälder bis hin zu sonnigen Weinhängen – und bietet immer wieder spektakuläre Ausblicke auf die Hügellandschaft der Weststeiermark.

Die Museen entlang der Route – das Bauernmuseum Lateinberg, die Bauernschmiede Woch, das Weinbauernmuseum Glirsch und das Weitwandermuseum im Lerchhaus – bieten tiefe Einblicke in verschiedene Aspekte der regionalen Kultur und Geschichte. Sie sind keine verstaubten Sammlungen, sondern lebendige Orte der Erinnerung und Vermittlung, die von engagierten Menschen mit Leidenschaft betrieben werden.

Die Einkehrmöglichkeiten entlang des Weges – vom Gasthof Hofjäger über die Buschenschenke Glirsch bis zum Gasthaus Bartlschneider – laden ein, die kulinarischen Schätze der Region zu entdecken und den Schilcher in seinen verschiedenen Variationen zu genießen. Hier wird Gastfreundschaft großgeschrieben, und Besucher werden nicht als Touristen, sondern als Gäste empfangen.

Die Schilcher-Museums-Tour ist ein Musterbeispiel für nachhaltigen Tourismus, der die natürlichen und kulturellen Ressourcen einer Region respektiert und fördert. Sie schafft Wertschöpfung für lokale Betriebe, bewahrt traditionelles Wissen und Fertigkeiten und vermittelt Besuchern ein tieferes Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Landschaft, Kultur und Wirtschaft.

Wer die Schilcher-Museums-Tour wandert, kehrt nicht nur mit müden Beinen, sondern auch mit einem reichen Schatz an Eindrücken, Erfahrungen und Erkenntnissen zurück. Der Geschmack des Schilchers auf der Zunge, die Bilder der sanften Hügel im Kopf und die Geschichten der Menschen im Herzen – all das bleibt und weckt vielleicht den Wunsch, wiederzukommen und noch tiefer einzutauchen in die faszinierende Welt des Schilcherlandes.

Für weitere Informationen und Buchungen stehen das Tourismusbüro Eibiswald (Tel.: +43 (5) 7730 120, 8552 Eibiswald 82) und das Tourismusbüro Deutschlandsberg (Tel.: +43 (5) 7730 300, 8530 Deutschlandsberg, Hauptplatz 40) zur Verfügung. Umfassende Informationen zur gesamten Region bietet auch die Website www.suedsteiermark.com.

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