Auf den Spuren der Pilger: Der Weststeirische Jakobsweg – Etappen 1 & 2
Von einem begeisterten Wanderer für das Wandermagazin
Der Weststeirische Jakobsweg zählt zu den schönsten Pilgerwegen Österreichs und führt durch die malerische Landschaft der Steiermark. Als leidenschaftlicher Wanderer durfte ich die ersten beiden Etappen dieses spirituellen Weges erkunden – eine Reise, die nicht nur die Beine, sondern auch die Seele bewegt.
Die Geschichte des Weges
Am 25. Juli 2010 feierlich eröffnet, gliedert sich der Weststeirische Jakobsweg in acht abwechslungsreiche Etappen. Der Hauptweg beginnt bei der kunstvoll von Ernst Fuchs gestalteten Jakobskirche in Thal bei Graz und führt über St. Pankrazen zur Jakobskirche in Geistthal. Alternativ kann man auch bei der Abtei in Seckau starten und über einen Anschlussweg zum Hauptweg gelangen.
Von Geistthal führt der Weg weiter über Bärnbach, Piber, Köflach, Edelschrott, Modriach, Osterwitz und die Weinebene bis nach Lavamünd in Kärnten, wo er auf den südösterreichischen Jakobsweg trifft. Die Etappen wurden so konzipiert, dass sie für durchschnittliche Wanderer gut zu bewältigen sind, mit Übernachtungsmöglichkeiten an jedem Etappenende.
Etappe 1: Thal – St. Pankrazen (20,3 km)

Der Weg beginnt
Mein Pilgerweg startet an der beeindruckenden Jakobskirche in Thal. Die von Ernst Fuchs gestaltete Kirche ist bereits ein Highlight für sich und stimmt auf die spirituelle Reise ein. Von hier führt der Weg zunächst durch den Ort, vorbei an der Raiffeisenbank und dem Musikheim, bevor er in die Eckstraße abbiegt.
Nach dem Ortsende Thal-Eck taucht der Pfad in einen ruhigen Wald ein – hier beginnt die erste Begegnung mit der Natur, die uns auf dem gesamten Jakobsweg begleiten wird. Der Weg führt bergauf zum Kapellenweg und weiter zum Jostbauer Kreuz, einem der vielen spirituellen Orte entlang des Weges.
Kulturelle Schätze am Wegesrand
Ein besonderes Highlight dieser Etappe ist das bezaubernde Schloss Plankenwarth, das sich majestätisch in die Landschaft einfügt. Die Geschichte dieses Schlosses reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück, als es erstmals urkundlich erwähnt wurde. Ursprünglich als Höhenburg errichtet, diente es zur Überwachung der Straße von Judendorf-Straßengel nach Sankt Oswald.
Die Burg Plankenwarth war einst Sitz bedeutender steirischer Adelsgeschlechter und ein wichtiges Glied in der Kette von Wehrburgen gegen die ins Land drängenden Türken. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte das Schloss mehrfach seine Besitzer, darunter die Herren von Plankenwarth, die Timmersdorfer, die Herren von Ungnad und die Familie Stürgkh. Besonders interessant ist die Ludwigsburg, die im 16. Jahrhundert von Ludwig Stürgkh errichtet wurde und später als Vorburg und Wirtschaftshof diente.
Im Jahr 1754 wurde die Burg unter Karl Leopold von Herberstein zu einem barocken Schloss umgebaut. Heute befindet sich das Schloss in Privatbesitz und beherbergt eine Schlossschenke sowie Ausstellungsräume. Die Anlage ähnelt einem Trapez mit bis zu drei Meter dicken Mauern und verfügt über einen Rundturm, einen halbrunden Turm und einen viereckigen Bergfried. Der dreieckige Innenhof weist im Stil der Spätrenaissance errichtete Säulenarkaden auf.
Nach einer Stärkung im Gasthaus Binderwirt geht es weiter zur Kirche St. Oswald bei Plankenwarth auf 550 m Seehöhe.
In Stiwoll lohnt sich unbedingt ein Besuch der spätromanischen Kirche. Zu ihren Schätzen gehören die Barbaraglocke, eine der ältesten Glocken der Steiermark, das Fresko des Hl. Christopherus an der Nordseite, der historische Taufstein und das tiefer gelegte Skelett vor dem Altar, das vermutlich vom Stifter der ersten Kapelle stammt – ein faszinierendes Zeugnis mittelalterlicher Geschichte.
Naturerlebnis und Ausblicke
Der Weg führt weiter durch den Stiwollgraben und schließlich bergauf nach St. Pankrazen/Gschnaidt, dem Ziel der ersten Etappe. Mit 581 Höhenmetern im Aufstieg und 281 im Abstieg ist diese Etappe moderat anspruchsvoll, belohnt aber mit wunderschönen Ausblicken auf die weststeirische Hügellandschaft.
Etappe 2: St. Pankrazen – Bärnbach (26,6 km)

Durch Wald und Wiesen
Die zweite Etappe des Jakobsweg beginnt in St. Pankrazen und führt zunächst entlang einer asphaltierten Straße in Richtung Geistthal. Nach etwa 1,4 km biegt der Weg rechts ab, vorbei an einem Transformator, und führt durch den Wald zum Kohlbauerkreuz. Kurz vor dem Bauernhof Kesslmeixner geht es links in Richtung Wald, wo man den Markierungen 563 über Wald- und Wiesenwege bergab folgt, bis man zur Landesstraße gelangt.
Ein kurzer Marsch auf der Landesstraße führt zur Jakobskirche in Geistthal, deren erste urkundliche Erwähnung auf das Jahr 1245 zurückgeht – ein weiterer historischer Schatz am Wegesrand.
Höhepunkte und Panoramen
Nach der Kirche Geistthal biegt der Weg links auf den Römaskogel ein und führt bergauf mit atemberaubenden Ausblicken auf die weststeirische Hügellandschaft. Der Weg führt weiter zum Fürstaller Kreuz und dann über den Weg 538 A zum Anwesen Wilhelm in der Gemeinde Kohlschwarz.
Ein besonderes Highlight dieser Etappe ist der erste Blick übers Kainachtal, der sich beim Anwesen Wilhelm eröffnet. Bei klarer Sicht kann man sogar bis zur Koralpe mit der markanten Goldhaube sehen. Der Weg führt weiter über Wiesen- und Waldwege durch die Lipizzanerheimat, vorbei an der Raudnerkapelle bis zum Kreuzungspunkt Luckner auf 630 m.
Ankunft in Bärnbach und die Hundertwasserkirche
Von Hochtregist aus geht es bergab in Richtung Bärnbach. Auf der rechten Seite passiert man das Stölzle Glas-Center mit seinem sehenswerten Glasmuseum und Ausstellungszentrum – ein Zeugnis der regionalen Handwerkskunst. Nach Überquerung der Brücke der Voitsbergerstraße erreicht man das Zentrum von Bärnbach und schließlich die St. Barbara-Kirche, das Ziel der zweiten Etappe.
Die St. Barbara-Kirche in Bärnbach ist ein wahres Juwel und ein Highlight für jeden Pilger. Ursprünglich in den 1950er Jahren erbaut, wurde sie in den Jahren 1987/88 vom berühmten österreichischen Künstler Friedensreich Hundertwasser zu einem farbenfrohen Kunstwerk umgestaltet. Die Kirche, die der Heiligen Barbara, der Schutzheiligen aller Bergleute, geweiht ist, spiegelt die Geschichte der Region als Zentrum des Kohle-Bergbaus wider.
Hundertwasser verwandelte die ursprünglich schlichte Kirche in ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk. Die Fassade ist mit bunten Keramikmosaiken verziert, das Dach bunt gestaltet und mit vergoldeten Kugeln und einer Turmzwiebel gekrönt. Besonders bemerkenswert ist der Prozessionsweg rund um die Kirche, der ganz im Stil Hundertwassers unregelmäßig und wellig geformt ist und von zwölf Torbögen gesäumt wird. Diese symbolisieren die zwölf Weltreligionen und setzen mit deren Symbolen ein Zeichen für Ökumene, Dialog und Toleranz.
Interessanterweise verzichtete Hundertwasser auf ein Honorar für seine Arbeit und bezahlte sogar die erste Vergoldung des Kirchturmdaches selbst. Der eher schlichte Innenraum der Kirche lädt zur Stille und zum Gebet ein und zeigt Werke heimischer Künstler. Bei einer Kirchenführung erfährt man mehr über die reiche Symbolik und die Entstehung dieses einzigartigen Kunstwerks.
Wissenswertes zur Region
Die Lipizzanerheimat
Die Lipizzanerheimat, durch die der Weststeirische Jakobsweg führt, vereint auf einzigartige Weise Tradition und Moderne. Weltbekannte Künstler haben hier ihre Spuren hinterlassen: Friedensreich Hundertwasser gestaltete die St. Barbarakirche und Prof. Ernst Fuchs den Mosesbrunnen in Bärnbach.
Ein absolutes Highlight der Region ist das Lipizzanergestüt Piber, das nur einen Katzensprung von Bärnbach entfernt liegt. Seit 1920 ist Piber der Geburtsort der berühmten Lipizzanerhengste der Spanischen Hofreitschule in Wien. Das Gestüt liegt in der sanften Hügellandschaft der Weststeiermark und bietet Besuchern einen faszinierenden Einblick in die Welt der edlen weißen Pferde.
Die Geschichte des Gestüts reicht bis ins Jahr 1798 zurück, als beim Schloss Piber, einem ehemaligen Kloster des Stiftes St. Lambrecht, ein Gestüt zur Zucht von militärischen Pferden eingerichtet wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg, im Jahr 1920, wurde die Zucht der Lipizzaner, die bis dahin im Gestüt Lipizza in der Krain (heute Lipica in Slowenien) beheimatet war, nach Piber verlegt.
Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Pferde nach Hostau (heute Hostouň in Tschechien) gebracht. Nach Kriegsende bestand die Gefahr, dass die Zuchtpferde in sowjetische Hände fallen würden. Der damalige Gestütstierarzt überzeugte den amerikanischen General George S. Patton, die Pferde im Rahmen der „Operation Cowboy“ nach Oberösterreich in Sicherheit zu bringen. Erst 1952 kehrten die Pferde nach Piber zurück.
Das Lipizzanergestüt Piber ist weltweit das einzige, in dem Stuten aller 17 klassischen Stutenfamilien vertreten sind. Zum Gestüt gehören nicht nur Stallungen, sondern auch ausgedehnte Weide- und Almflächen. Jährlich findet ein traditioneller Almabtrieb statt, bei dem die Pferde zu Fuß von den bis zu 25 km entfernten Almen zurückkehren, gefolgt von der traditionellen Pferdesegnung in Maria Lankowitz.
Das Wissen um die Lipizzanerzucht wurde 2016 von der UNESCO in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Österreich und 2022 in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen – eine Anerkennung der kulturellen Bedeutung dieser Tradition.
Besucher können im Gestüt die historischen Stallungen und Koppeln besichtigen, das imposante Barockschloss erkunden und im angeschlossenen Kutschenmuseum historische Schaustücke aus der Gründungszeit der Lipizzanerzucht bewundern. Geführte Gestütsbesichtigungen, Kutschenfahrten und Almführungen bieten einen lebendigen Einblick in die Welt der Lipizzaner.
Weitere Sehenswürdigkeiten der Region
Für Erholungssuchende bietet die Therme NOVA in Köflach Entspannung, während der Hirzmann Stausee, der Packer Stausee, der Sobother Stausee, die Freizeitinsel Piberstein und das Schlossbad Bärnbach für Abkühlung sorgen.
Das Stölzle Glas-Center in Bärnbach mit seinem Glasmuseum und Ausstellungszentrum ist ebenfalls einen Besuch wert. Die Geschichte der Glaserzeugung ist eng mit dem Bergbau der Region verbunden und bietet einen interessanten Einblick in dieses traditionelle Handwerk.
Für Aktivurlauber bietet die Region zahlreiche Möglichkeiten zum Wandern, Radfahren und für andere Outdoor-Aktivitäten. Der Kletterpark Piber mit über 60 Stationen auf sieben Parcours ist ein besonderes Highlight für Abenteuerlustige.
Praktische Tipps für Pilger
An jedem Etappenziel und bei jeder Jakobskirche entlang des Weges findet sich ein Pilgerstein, der die noch zu gehenden Kilometer bis zum Ziel in Santiago de Compostela anzeigt. Bei den „Pilgerkastln“ am Jakobsweg haben Wanderer die Möglichkeit, ihre Gedanken und Erlebnisse in einem Buch niederzuschreiben – eine schöne Tradition, die zum Innehalten einlädt.
Für den Pilgerpass, der für einen Unkostenbeitrag von fünf Euro erhältlich ist, kann man sich an den Verein zur Förderung der Steirischen Jakobswege wenden. Stempelstellen für den Pass finden sich an zahlreichen Orten entlang des Weges, darunter Pfarrämter, Gasthöfe und private Unterkünfte.
Die beste Reisezeit für den Weststeirischen Jakobsweg ist von März bis November. In den Sommermonaten sollte man ausreichend Sonnenschutz und genügend Wasser mitnehmen, da einige Abschnitte wenig Schatten bieten. Im Frühjahr und Herbst empfiehlt sich wetterfeste Kleidung, da das Wetter in der Region wechselhaft sein kann.
Für die Anreise zum Startpunkt in Thal bei Graz kann man öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Mit dem Bus Nr. 85 vom Hauptbahnhof in Graz fährt man bis nach Graz Gösting (Endstation), steigt dort in den Bus Nr. 48 um und fährt bis zur Haltestelle Thal-Kirchberg. Von dort führt eine kleine steile Straße (ca. 300 m) bergauf zur Jakobskirche in Thal.
Fazit
Der Weststeirische Jakobsweg ist mehr als nur eine Wanderroute – er ist eine Reise zu sich selbst, gespickt mit kulturellen Schätzen, atemberaubenden Landschaften und herzlicher Gastfreundschaft. Die ersten beiden Etappen geben einen wunderbaren Vorgeschmack auf das, was Pilger auf dem gesamten Weg erwartet: eine perfekte Mischung aus spirituellem Erlebnis, kultureller Bereicherung und naturnahem Wandergenuss in einer der schönsten Regionen Österreichs.
Die Kombination aus historischen Burgen und Schlössern, kunstvoll gestalteten Kirchen, dem weltberühmten Lipizzanergestüt und der malerischen Landschaft macht den Weststeirischen Jakobsweg zu einem einzigartigen Erlebnis für Pilger und Wanderer gleichermaßen. Jeder Schritt auf diesem Weg ist nicht nur eine Bewegung im Raum, sondern auch eine Reise durch die Zeit und in die eigene Seele – ganz im Sinne des wahren Pilgergedankens.
[Quellen: Region Graz, Jakobsweg Weststeiermark, Burg Plankenwarth – Wikipedia, St. Barbara Kirche – Hundertwasser, Lipizzanergestüt Piber]
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